Zwischen Freud und Schwabing

Otto Groß: ein vergessener Kulturrevolutionär im Wilhelminischen Deutschland

Von Thomas Anz

Max Weber bescheinigte ihm charismatische Eigenschaften. Erich Mühsam nannte ihn "den bedeutendsten Schüler Sigmund Freuds". Freud selbst pries ihn als "hochintelligent", "hochbegabt" und "sehr wertvoll". Er und C. G. Jung seien die einzigen, die zur Ausarbeitung der Psychoanalyse etwas Eigenständiges beizutragen hätten. Jung nahm ihn in psychoanalytische Behandlung und wurde unversehens seinerseits der Behandelte. Sie analysierten sich gegenseitig, und Jung profitierte dabei nicht unerheblich für sein späteres Werk.
Sein Name: Otto Groß, damals unter Literaten und Wissenschaftlern bekannt und berüchtigt. Im vergangenen Jahr hätte man seines 100. Geburtstags gedenken können, doch ist er heute völlig vergessen. Eine Biographie über ihn gibt es nicht, auch keine Lexikonartikel. Nur auf ein paar schwer nachprüfbare Daten stößt der Nachforschende, auf mehrere Affären, überall verstreute Lebensspuren (man wundert sich, wie viele bedeutende Menschen er gekannt und beeindruckt hat) und seine Publikationen. In Romanen und Erinnerungen der expressionistischen Zeitgenossen taucht er immer wieder auf. Bald als prophetische Führergestalt, bald als teuflischer Dämon. Oft verschlüsselt: als Dr. Gebhard in Franz Werfels Roman "Barbara", als Dr. Kreuz in Leonhard Franks "Links wo das Herz ist", als Dr. Hoch in Johannes R. Bechers Roman "Abschied".
Sein bevorzugtes Milieu: die Bohème. Die in Schwabing schätzte er besonders. 1908, mit 29 Jahren, siedelte er von Graz, wo er als Privatdozent für Psychopathologie gelehrt hatte, nach München über und arbeitete hier an der Universitätsklinik als Assistent von Kraepelin, dem "Oberpapst" (so Freud) der damaligen Psychiatrie. Glaubt man den Mythen, die sich in Schwabing um Groß bildeten, dann gab er als Anschrift, unter der ihn Post am schnellsten erreichen würde, das Café Stefanie, Ecke Amalien-/ Theresienstraße, an. Im "Stefanie", einem Zentrum der jüngeren avantgardistischen Künstler in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg, war er Stammgast. Auch noch, nachdem er 1910 nach Ascona übersiedelte, wo sich viele Schwabinger Freigeister heimisch fühlten und wo Groß die Gründung einer freien Hochschule gegen die westliche Zivilisation plante. Von Ascona aus stattete er München regelmäßig seine Besuche ab.
Zu seinem Kreis von Freunden und Schülern, die sich hier von dem Freud-Schüler mit der Psychoanalyse vertraut machen ließen, gehörten Karl Otten, Leonhard Frank, Erich Mühsam und Franz Jung - linksengagierte Autoren, die durch die Schule des Anarchismus vom Geiste Gustav Landauers gegangen waren.
Daß es sich hierbei um alles andere als um einen Geist der Gewalt und des Terrors handelte, sollte man heute, wenn man von Anarchismus spricht, wohl ausdrücklich hinzufügen. Von einer neuen soli-darischen Gemeinschaft geläuterter Individuen träumte man, einer gewalt- und herrschaftsfrei-en Gesellschaft ohne gesetzliche Zwangsverord-nungen und Autoritäten, einem Miteinander in natur- und vernunftbestimmter Harmonie. Wie jede Diktatur lehnte man auch die des Proleta-riats ab und wie alle bevormundenden Parteien auch die kommunistischen. Die Arbeiterschaft hielten diese Schwabinger Anarchisten inzwi-schen für so verbürgerlicht, daß sie einer prole-tarischen Revolution nur Skepsis entgegen-brachten. Dem proletarischen Klassenbewußt-sein zogen sie die Unbürgerlichkeit der Bohèmiens vor. Erich Mühsam, eine der mar-kantesten Gestalten Schwabings und ein lang-jähriger Freund von Otto Groß, stilisierte die Bohème zum sozialen Modell der zukünftigen Gesellschaft.
Die Mischung zwischen anarchistisch-bohèmehaften und psychoanalytischen Einflüssen, zwischen Schwabing und Freud, wurde für Groß bestimmend. Sie machte ihn zum Außenseiter unter den Außenseitern, zu denen man als Anhänger der Freudschen Psychologie damals ohnehin schon gehörte. Ist es ein Privileg des Außenseiters, mit neuen provozierenden Denkformen vorwegzunehmen, was später einmal eine breitere Öffentlichkeit diskutiert, so gilt dies potenziert für Groß. Wo er sich von Freud kritisch unterschied, führte er die Psychoanalyse in eine zukunftsweisende Richtung.
Eine wichtige Quelle über Groß ist der 1974 veröffentlichte Briefwechsel zwischen Freud und C. G. Jung. Er dokumentiert eine Beziehung zwischen den drei Wissenschaftlern, wie sie in ihrer ganzen hochgradig komplizierten und emotionsgeladenen Dramatik über das offen Gesagte hinaus zuweilen nur zwischen den Zeilen erahnt werden kann. Jung macht Freud im Sommer 1907 auf Groß aufmerksam, und beide sind sich in ihrem Urteil zunächst einig: Mit einem außerordentlich begabten Wissenschaftler habe man es zu tun, dessen Arbeiten allerdings durch ein "abnormes Gefühlsleben" (Freud) in ihrem Wert beeinträchtigt seien. "Schade, daß Groß so psychopathisch ist; er ist ein sehr gescheiter Kopf", meint entsprechend Jung, nachdem er den zwei Jahre Jüngeren persönlich kennengelernt hat. Daß ein solches Urteil von zwei Wissenschaftlern stammt, die selbst entscheidend dazu beitrugen, die scharfen Grenzen zwischen normal und abnormal, gesund und krank zu problematisieren, und die selbst ein Leben lang mit ihren eigenen Neurosen zu kämpfen hatten, mag zu denken geben. Der Verdacht liegt nahe, daß sie die vom eigenen Denken abweichenden Anschauungen eines potentiellen Rivalen mit klinischen statt sachlichen Argumenten abzuwehren versuchten.
Gegenüber Freud verfuhr Jung später übrigens ganz ähnlich. Als es zwischen den beiden 1913 zum Bruch kam, stellte sich ein Thema als besonders kontrovers heraus, das auch schon zwischen Jung und Groß zu heftigen Auseinandersetzungen geführt hatte: die Sexualität. Jung räumte ihr nicht annähernd die dominante Rolle bei der Verursachung psychischer Störungen ein wie Freud und Groß. Jung kritisierte im Herbst 1907 scharf den sexuellen Immoralismus von Groß und hielt ihm entgegen, "daß Sexualverdrängung als Kulturfaktor sehr wichtig und unentbehrlich ist, wenn schon pathogen für viele Minderwertige"(!).
Trotzdem kommt es ein dreiviertel Jahr später zu einer intensiven Annäherung zwischen beiden. Jung übernimmt den rauschgiftsüchtigen Groß auf Freuds Ersuchen in ärztliche Behandlung und engagiert sich dabei auch psychoanalytisch mit großem Ehrgeiz. Im Brief vom 25. 5. 1908 an Freud lesen wir: "Sie werden sich gewundert haben, daß ich in letzter Zeit so schreibfaul war. Ich habe alles liegen lassen und alle verfügbare Zeit, tags und nachts, an Groß gewendet, um seine Analyse möglichst zu fördern. Es ist eine typische Zwangsneurose mit vielen interessanten Problemen. Wo ich nicht mehr weiterkam, hat er mich analysiert. Auf diese Weise habe ich auch an meiner eigenen Gesundheit profitiert... Psychisch hat sich sein Zustand bedeutend gehoben, so daß die Zukunft weniger düster erscheint. Er ist ein Mensch von seltener Anständigkeit, mit dem man sofort ausgezeichnet leben kann, sobald man die eigenen Komplexe fahren läßt. Heute habe ich den ersten Ruhetag, denn gestern habe ich die Analyse beendigt."
Freud antwortet auf die Erfolgsnachricht: "Groß ist ein so wertvoller Mensch und ein so starker Kopf, daß Ihre Arbeit den Wert einer Leistung für die Allgemeinheit hat. Es wäre sehr schön, wenn als Residuum dieser Analyse ein Verhältnis von Freundschaft und Mitarbeiterschaft zwischen Ihnen bliebe. Übrigens wundere ich mich über das Tempo der Jugend, die in zwei Wochen solche Aufgaben erledigt, bei mir hätte es länger gedauert."
Die versteckte Skepsis, die man aus Freuds Nachbemerkung herauslesen kann, erweist sich einen halben Monat später als nur zu berechtigt. Jungs Diagnose für Groß lautet plötzlich nicht mehr "Zwangsneurose", sondern "Dementia praecox" (der damalige Begriff für Schizophrenie, gleichbedeutend mit unheilbar geistes-krank). Das Urteil nimmt sich aus wie ein Ra-cheakt, eine Verurteilung aus menschlicher Ent-täuschung und gekränkter Eitelkeit. Die Vor-gänge, die Jung Freud schildert, legen dies nahe: "Der Abgang von der Bühne entspricht der Diagnose: Vorgestern ist Groß in einem unbewach-ten Moment aus dem Hausgarten über die Mau-er entflohen und wird zweifellos bald wieder in München auftauchen, um dem Abend seines Schicksals entgegenzugehen... Ich weiß nicht, mit was für Gefühlen Sie diese Nachricht auf-nehmen werden. Für mich ist dieses Erlebnis ei-nes der schwersten meines Lebens, denn in Groß erlebte ich nur allzuviele Seiten meines eigenen Wesens, so daß er mir oft vorkam wie mein Zwillingsbruder minus Dementia praecox. Das ist tragisch."
Noch nach einem Jahr zeigt sich Jung von dem Vorfall nachhaltig beeindruckt. Groß sei für ihn, obwohl er seine Anregungen nicht missen möchte, eine "bittere Erfahrung" gewesen. "Keinem von meinen Patienten habe ich dieses Maß an Freundschaft gegeben, und von keinem habe ich ähnlichen Schmerz geerntet." Die persönliche Beziehung zwischen Jung und Groß bricht damit ab. Alle Spuren, die Groß mit seinem Denken in Jungs späteren Veröffentlichungen hinterließ (und die Jung hier anfangs noch in Anmerkungen belegte), hat er später getilgt. Auch in seinen Erinnerungen taucht der Name Groß nicht mehr auf.
Ähnliche Spurenvernichtungen unternahm Freud, als er die Titel von Groß' Schriften aus der offiziellen Bibliographie für Psychoanalyse entfernte. Der Zeitpunkt des Bruchs zwischen beiden ist nicht genau auszumachen. Noch die 1909 erschienene Abhandlung von Groß "Über psychopathische Minderwertigkeiten" ruft bei Freud enthusiastische Reaktionen hervor.
Doch schon 1908 war es auf dem Salzburger Psychoanalytikerkongreß zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Sie sind für die (noch zu schreibende) Geschichte der Psychoanalyse von symptomatischem Gewicht. Denn Groß war nicht nur einer der ersten aktiven Anhänger Freuds (er führte in München u. a. den späteren Freudbiographen Ernest Jones in die Psychoanalyse ein), sondern darüber hinaus der erste überhaupt, der Jahrzehnte vor Wilhelm Reich, Herbert Marcuse oder Jürgen Habermas die Psychoanalyse in einer dezidiert gesellschaftsbezogenen, kulturkritischen Version vertrat, der erste, der den Zusammenhang von psychopathologischen Konflikten mit sozialen Strukturen psychoanalytisch fundiert zu beschreiben versuchte.
In einem seiner vor dem Ersten Weltkrieg in der linksengagierten expressionistischen Zeitschrift Die Aktion erschienenen Aufsätze untersucht er die "pathogene Einwirkung der Gesellschaft auf das Individuum". Die Diskrepanz zwischen individuellen Wünschen und sozialen Anforderungen verwandle sich "in einen Konflikt im Individuum selbst, weil sich das Individuum sich selbst gegenüber als Vertreter der Allgemeinheit zu fühlen beginnt. Erst dieser innere Konflikt ist es, der eigentlich pathogen zu wirken vermag". Der Konflikt zwischen dem "Eigenen -und Fremden", "der Individualität mit der ins eigene Innere eingedrungenen Autorität" ist für Groß Ausdruck einer fundamentalen kulturellen Krise. Ihre Basis sieht er in der patriarchalisch organisierten Familie, die der Position des Vaters eine persönlichkeitsdeformierende Machtbefugnis zuerkennt. Das daraus gefolgerte anarchistisch gefärbte sozialtherapeutische Programm ist in seiner revolutionären Diktion typisch für die Revolte der damaligen expressionistischen Generation gegen die Väter als Repräsentanten der erstarrt-überalterten wilhelminischen Normen und Institutionen: "Der Revolutionär von heute kämpft gegen Vergewaltigung in ursprünglichster Form, gegen den Vater und gegen das Vaterrecht".
Bei Freud, der sich der soziokulturellen Implikationen seiner ursprünglich ganz der individuellen Therapie verpflichteten Psychoanalyse erst später bewußt wurde, mußte diese Ausweitung seiner Lehre auf Abwehr stoßen. Groß erinnert sich 1913 in der Aktion: "Ich habe vor vielen Jahren auf dem Salzburger Psychoanalytikerkongreß von der Perspektive gesprochen, die sich mit der Entdeckung des ,psychoanalytischen Prinzips', d. h. der Erschließung des Unbewußten auf die Gesamtprobleme der Kultur und den Imperativ der Zukunft richtet. Es ist mir damals von S. Freud erwidert worden: Wir sind Ärzte und wollen Ärzte bleiben. Wir wissen heute, wie unendlich größer die Gabe gewesen ist als es der Schenkende selbst zu hoffen sich gestattet hat." Wir wissen es heute erst recht. Selbst Freud ist keineswegs nur Arzt geblieben. Was er in seiner berühmten 1930 erschienenen Schrift das "Unbehagen in der Kultur" nennt, das aus dem Triebverzicht resultiere, den sie dem einzelnen abfordert, kommt den gut zwanzig Jahre vorher so skeptisch beurteilten Vorstellungen von Groß ziemlich nahe.
Der Kampf des unorthodoxen Freudianers gegen die autoritären Strukturen im Wilhelminischen Vorkriegsdeutschland gingen einher mit dem Widerstand gegen die damalige Psychiatrie. Wie sie sich in Dienst nehmen ließ zur Ausgrenzung kritischer Unvernunft aus dem Terrain der herrschenden Vernunft, hatte er mehrfach aus nächster Nähe erlebt. 1908 berichtete er unter dem Titel "Elterngewalt" über den Fall einer neunzehnjährigen Münchener Bildhauerstochter, die schwer familiengeschädigt zu ihm in psychoanalytische Behandlung kam. Als sie sich nach rascher Besserung ihres Zustands dem Elternhaus entzog und München verließ, wurde sie von den Eltern mit Hilfe eines Verhaftungsbefehls zurückgeholt. Man verbot ihr die Fortsetzung der psychoanalytischen Therapie, in die sie ihr ganzes Vertrauen gesetzt hatte, und brachte sie gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik. "Die repräsentative Bedeutung des Falls", so schließt Groß seine Anklage, "liegt im Beweis der unbegreiflichen Möglichkeiten, die der mißbrauchten elterlichen Gewalt dem Minderjährigen gegenüber von der Gesellschaft noch eingeräumt sind."
Ein paar Jahre später bekam Groß diese Gewalt am eigenen Leibe zu spüren. Im Oktober 1913 wurde der aus der bürgerlichen Ordnung Ausgebrochene auf Veranlassung seines einflußreichen Vaters, des bekannten Grazer Strafrechtspsychologen und Kriminologen Hans Groß, unter Einsatz der Polizei aus Berlin in die Österreichische Landesirrenanstalt Troppau verschleppt. Ein entsprechendes Attest, das ihn zum unheilbaren und gefährlichen Geisteskranken abstempelte, lieferte aus Zürich C. G. Jung dazu. Der Deportation folgte ein Skandal. Die expressionistischen Zeitschriften, in Berlin Die Aktion und in München die Revolution, initiierten eine Protestkampagne, die sich bald über die Leitartikel der großen liberalen Zeitungen bis hin zu einer Anfrage im Landtag ausweitete.
Die Affäre hatte beispielhafte Bedeutung. Sie spiegelte den Kontrast zwischen Bohèmien und Bürger, Expressionismus und Wilhelminischem Zeitgeist, Sohn und Vater, Psychoanalyse und Psychiatrie. Die Gesellschaft hatte sich hier eines mißliebigen und freilebigen Kultur- und Gesellschaftskritikers dadurch zu entledigen versucht, daß sie ihn als kriminellen Geisteskranken stigmatisierte und isolierte. Die öffentlichen Proteste hatten jedoch Erfolg. Die Zwangsinternierung in der Anstalt, in der Groß mittlerweile aus der Kategorie der Unheilbaren zum behandelnden Arzt aufgerückt war, mußte aufgehoben werden.
Nicht, daß dem so Mitgespielten alle Symptome psychischer Krankheit von Freud, Jung und dem Vater nur angedichtet worden wären. Groß selbst machte aus seiner Krankheit, die ihn in immer stärkere Rauschgiftabhängigkeit führte und 1920 total zerrüttet regelrecht in der Gosse enden ließ, keinen Hehl. Nur erachtete er die Psychiatrie mit ihrer Ignoranz gegenüber allen sozialen Krankheitsbedingungen für seinen Fall als inkompetent, ja, schädlich. Sein Leiden war ein Leiden an der Gesellschaft, genauer: an seinem Vater, dessen pathogene Wirkung auf ihn freilich nur unter den bestehenden autoritätsfixierten gesellschaftlichen Verhältnissen denkbar war, gegen die der Sohn mit dem Einsatz seiner ganzen Existenz aufbegehrte.
Ein damals wenig bekannter Autor, der später zum Klassiker des 20. Jahrhunderts avancierte, hat sich mit diesem ihn ebenfalls krank machenden Trauma väterlicher Übermacht sein Leben lang literarisch auseinandergesetzt: Franz Kafka. Er lernte Groß auf einer Bahnfahrt von Budapest nach Prag kennen. Zusammen mit Franz Werfel begeisterten sie sich später für einen gemeinsamen Zeitschriftenplan. Wie sehr sich Kafka dem sechs Jahre Älteren verbunden fühlte, zeigt eine auf diesen Plan verweisende Passage aus einem Brief vom November 1917 an Max Brod: "Wenn mir eine Zeitschrift längere Zeit hindurch verlockend erschien ..., so war es die von Dr. Groß, deshalb weil sie mir, wenigstens an jenem Abend, aus einem Feuer einer persönlichen Verbundenheit hervorzugehen schien. Zeichen eines persönlich aneinander gebundenen Strebens, mehr kann vielleicht eine Zeitschrift nicht sein." Blätter zur Bekämpfung des Machtwillens sollte sie heißen. Der Titel weist auf die Richtung, in die das "persönlich aneinander gebundene Streben" der beiden zielte. Doch während die literarischen Machtanalysen des einen es zu höchstem Ruhm brachten, weiß man von den theoretischen des anderen, vielleicht nicht minder genialen, heute nichts mehr.
 
(Die bislang umfassendsten Informationen über Otto Groß gibt das Buch von Martin Green: Else und Frieda, die Richthofen-Schwestern, Kindler Verlag, 1976. Über die Beziehung zwischen Kafka und Groß informiert Hartmut Binder: Kafka in neuer Sicht, Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1976. Über Groß im Zusammenhang mit dem literarischen Expressionismus hat der Verfasser dieses Aufsatzes geschrieben in dem Buch "Literatur der Existenz - Literarische Psychopathographie und ihre soziale Bedeutung im Frühexpressionismus", Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1977. Eine ausführliche Darstellung zu Groß und eine Veröffentlichung seiner bisher gedruckten Schriften hat der Berliner Karin Kramer Verlag angekündigt.)
 

Erstdruck in: Süddeutsche Zeitung, 11./12. Februar 1978
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